75 Jahre Grundgesetz und Europawahl: Kundgebung der Allianz gegen Rechtsextremismus
Anlässlich 75 Jahre Grundgesetz und der anstehenden Wahl des Europäischen Parlaments hat die Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg eine Kundgebung unter dem Motto „RExit! – Keine Rechtsextremen ins EU-Parlament!“ veranstaltet.
Trotz der schwierigen Witterungsbedingungen besuchten mehr als 1000 Bürgerinnen und Bürger die Veranstaltung, die von Elisabeth Preuß, stellvertretende Vorsitzende der Allianz gegen Rechtsextremismus, moderiert wurde. Für die musikalische Gestaltung der Kundgebung sorgte die über Nürnberg hinaus bekannte Band Ki’luanda.
Vorsitzender der Allianz gegen Rechtsextremismus, Stephan Dol: Die Würde des Menschen ist unantastbar
Den Auftakt machte der Vorsitzende der Allianz gegen Rechtsextremismus, Stephan Doll. Er erinnerte zu Beginn seiner Rede an das 75-jährige Jubiläum des Grundgesetzes und ordnete die Entstehungsgeschichte historisch ein. Die Väter und Mütter des Grundgesetzes hätten die Lehren aus dem Faschismus und der Barbarei gezogen. Daher sei es kein Zufall, dass das Grundgesetz mit Artikel 1 „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ beginnt. Doll betonte, dass die Verfassung damit von der Würde des „Menschen“ und nicht der Würde des „Deutschen“ ausgehe. Allein deshalb sei das Grundgesetz „das Beste, was Deutschland je passiert ist.“ Durch diese Verfassung ziehe sich die Prägung der wehrhaften Demokratie.
Hierzu appellierte Doll: „Wir sind alle gefordert, diese wehrhafte Demokratie mit Leben zu erfüllen. Am Arbeitsplatz, in der Schule, in der Straßenbahn, im Sportverein, am Stammtisch, in den sogenannten sozialen Medien und auch beim 75. Geburtstag der Oma.“ Stephan Doll rief zu einem gemeinsamen Schulterschluss auf: „Die demokratischen Parteien müssen gemeinsam eine Brandmauer gegen Rechtsextremismus gestalten. Im Rathaus, im Landtag, im Bundestag und auch im Europaparlament!“ Mut machen Stephan Doll die zahlreichen Demonstrationen, die zu Beginn des Jahres stattfanden. Über drei Millionen Menschen seien in Deutschland auf die Straße gegangen, um gegen rechtsextreme Parteien, gegen die rechtsextreme Bedrohung unserer Gesellschaft und für unsere Demokratie und die Menschenrechte einzutreten.
Als Hauptredner trat Ulrich Schneider auf, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands. Auch Schneider erinnerte an die Anfänge des Grundgesetzes: „Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben uns die Demokratie, den Rechtsstaat und den Sozialstaat als tragende, unwiderrufliche Säulen mitgegeben. Daneben haben sie das Gesellschaftsbild einer vielfältigen, offenen und toleranten Gesellschaft entworfen, die in den Grundrechten, Artikel 1-19 Grundgesetz, festgehalten sind.“ Schneider zeigt sich alarmiert, dass immer mehr Bürgerinnen und Bürger, aber auch politische Akteure die Unverletzlichkeit der Menschenwürde in Frage stellen.
Man dürfe Rechtsextreme nie unterschätzen: „Sie sind es, die unsere Demokratie missbrauchen, um sie letztlich abzuschaffen. Sie sind es, die unsere Freiheit missbrauchen und sie beseitigen. Sie sind es, die unsere Toleranz missbrauchen, um letztlich ihre Mission eines intoleranten, einfältigen, rassistischen und nationalistischen Staates zu etablieren. Wir sind wieder so weit, dass wir uns wehren müssen!“ Im Zuge dessen geht Schneider auf die Phase ab November 1932 ein, in der die damalige NSDAP nur zwei Monate brauchte, um die Weimarer Demokratie zu einer Diktatur umzubauen. Zwar sei die heutige Zeit nicht mit der damaligen vergleichbar, eben aufgrund unseres heutigen Grundgesetzes, doch appelliert Schneider, den Anfängen zu wehren: „Unser Leitbild ist das Grundgesetz und der wechselseitige Respekt.“
Ratsvorsitzender der Metropolregion Nürnberg, Peter Reiß: Grundgesetz ist Herzstück unserer Gesellschaft
Für die Europäische Metropolregion Nürnberg sprach der Ratsvorsitzende, Peter Reiß, ein Grußwort. Reiß beschrieb das Grundgesetz als unser „Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung – zum demokratischen und gerechten Zusammenleben aller Menschen in unserem Land.“
Es sei „Herzstück unserer Gesellschaft“, da es Freiheit, Gerechtigkeit und Teilhabe ermögliche. Peter Reiß erklärte, dass es die heutige Europäische Metropolregion Nürnberg ohne dieses Grundgesetz nicht gäbe: „Nur dank dieser Verfassung geben wir Kommunen die Möglichkeit, sich in eigenen demokratischen Wahlen selbst zu organisieren.“ Nachdenklich zeigte sich der Ratsvorsitzende, dass Übergriffe auf politisch Engagierte zunehmen. Hier würde das Grundgesetz uns daran erinnern, dass wir unsere Demokratie aktiv verteidigen müssen, denn die deutsche Geschichte zeige, dass sie nicht selbstverständlich sei: „Wir dürfen nicht denken: Sich für Demokratie einsetzen, tun doch eh schon genug. Das ist ein gefährlicher Trugschluss!“ Daher appelliert auch Reiß an die Anwesenden: „Unsere Gesellschaft hält zusammen – für unser Grundgesetz, ganz im Sinne des Europäischen Gedankens und unserer Europäischen Metropolregion Nürnberg!“
Zwischendurch stellten Mitglieder des Vorstandes und des Koordinierungsgremiums der Allianz gegen Rechtsextremismus alle 19 Grundrechte vor und ordneten diese persönlich ein.
Für einen kulturellen Beitrag sorgte Hannah Haberger, Siegerin des Poetry Slam-Abends „Slam for democracy – kick-out hate“, den die Allianz gegen Rechtsextremismus am 25. Mai gemeinsam mit Kulturschock e.V. ausgerichtet hat. In ihrem Vortrag machte sie sich für die Rechte und Sichtbarkeit queerer Menschen in der Gesellschaft stark.
Abschließend wies Stephan Doll auf die jüngsten Entwicklungen in Polen hin. Die Wahlen hätten gezeigt, dass Rechtsextreme und Demokratiefeinde besiegbar seien: „Rechtsextremisten, Faschisten und Despoten sind schwach, wenn wir zusammenhalten und gemeinsam kämpfen. Lasst uns gemeinsam die Woche noch nutzen, damit möglichst viele Menschen demokratisch wählen. Keine Rechtsextremen ins EU-Parlament. Nie wieder ist jetzt!“