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Ursula Kreutz

Erinnerung und Vergänglichkeit spielen in der Kunst von Ursula Kreutz eine große Rolle

Die aus dem Rheinland stammende und in Fürth lebende Ursula Kreutz ist Künstlerin des Monats: Subtil und vielschichtig komponiert sie ihre künstlerischen Objekte, Wand- und Raumarbeiten. Ihre eindrücklichen und ernsthaften Werke, die oft Erinnerung und Vergänglichkeit thematisieren, haben ihr viele Kunstpreise eingebracht.

Kreutz, die an den Kunstakademien in München und Nürnberg studiert und diese Studien in Palermo, Israel und der Schweiz ergänzt hat, experimentierte von Anfang an mit der Fotografie. Jedoch nicht mit dem Fotoausdruck auf Papier: Der bevorzugte Werkstoff der Künstlerin ist die Textilie. So ist mit farblich zurückhaltenden digitalisierten Fotomotiven bedruckter transparenter Chiffon fast so etwas wie ein Markenzeichen geworden. „Die Leichtigkeit der Struktur, die Trägereigenschaften, die Anpassungsfähigkeit – Textil ist unglaublich vielfältig. Mein erster Lehrer an der Nürnberger Akademie, Hans Herpich, hat es als „Lebensgeflecht“ bezeichnet, da es flexibel ist und sich anpasst. Womit sonst lässt sich denn das Zeitliche und die Auflösung so gut verbildlichen wie an Textilien?“, erläutert die Künstlerin.

Daneben nutzt sie andere Gewebe, deren Kett- und Schussfäden sie zum Teil bewusst anlöst. „An meinen Arbeiten interessieren mich die Prozesse. Zum Teil verselbständigen sie sich und beziehen den Zufall mit ein. Die Unaufhaltsamkeit von Zeit ist dabei das große Thema – analog des Wesens der Erinnerung: Wir behalten Bilder von Menschen und Dingen im Kopf, die sich aber immer mehr auflösen – nach einem Jahr sind sie noch konkret, aber vergehen immer mehr.“

Ursula Kreutz eine Textilkünstlerin zu nennen, wäre jedoch zu kurz gegriffen. Von Wichtigkeit sind neben der Fotografie auch immer Film und Performance. In den künstlerischen Anfängen spielten Selbstuntersuchungen und Selbstbefragungen eine zentrale Rolle. So lebte die Künstlerin in exil 2010 beim Künstlersymposium „37 Grad“ drei Wochen in einem transparenten Zelt im Wald und verschwamm durch ihre Camouflage-Bekleidung regelrecht mit der Umgebung. Doch inzwischen interessieren erweiterte Fragestellungen.

Eine konstante Komponente seit vielen Jahren ist und bleibt das Einbringen und Gestalten von Zeit. Dies geschieht, indem Kreutz ihre Arbeiten Witterungen, zeitlichen Alterungen und Auflösungen aussetzt. In anderen Werken sind die Zeit und das Vergangene als Erinnerung selbst das Thema - wie in den Erinnerungskästen. In diesen fanden sich durch die ausgewählten Motive, die immer doppelt übereinander gedruckt wurden, Spuren in die Vergangenheit, aber auch Unschärfe, Raumillusion und Flüchtigkeit.

Eine der jüngeren Arbeiten ist FUALUN von 2022 auf dem Nürnberger Johannisfriedhof. Im Nachlass ihres verstorbenen Vaters fand die Künstlerin einen unentwickelten Super-8-Film. Es gelang ihn zu entwickeln und aus 60 Filmstills durch Verdopplung der Motive 120 Textilbanner zu gestalten, die sechs Monate lang über den Gräbern aufgespannt waren. Sie zeigten Szenen ihrer Kindheit, aber auch verwandte Personen, also persönliche Motive, die im Laufe der Zeit immer mehr verschwanden. Wind und Wetter haben die Auflösung unterstützt und zu immer stärkerer Ausbleichung, aber dann auch zur Zersetzung geführt. FUALUN bedeutete für Kreutz auch, jede Woche mehrere Stunden auf dem Friedhof zu verbringen, sich mit dem Raum zu verbinden und vertraut zu machen - mit der Vergänglichkeit auf Tuchfühlung gehen. „Das war auch für mich eine unglaublich intensive Erfahrung“, berichtet sie.

Einige Arbeiten in Kreutz‘ Werk entwickeln sich hingegen immer weiter. So werden sie - oder Teile von ihnen - aufgegriffen und in neuer Gestaltung und anderen Zusammenhängen wiederverwendet. Bei ade_imago beispielsweise, der letzten Ausstellung Auf AEG, hat die Künstlerin frühere und neue Projekte und Motive auf Fototapete gedruckt, in kleine Schnipsel gerissen und als wändefüllende, farblich sortierte abstrakte Bildwerke in einem raumfüllenden Environment miteinander in Beziehung gesetzt. Während FUALUN, die Arbeit auf dem Johannisfriedhof, eine Zäsur persönlicher Art darstellte, in der Szenen aus Familie und Kindheit immer mehr verblassten und auf dem Friedhof zurückgelassen wurden, lässt sich ade_imago ebenfalls als Zäsur sehen, als eine Art destruierte Retrospektive, denn das Gebäude, in dem sich die Arbeit befand, wurde abgerissen.

Viele von Kreutz‘ Arbeiten sind ephemer, wenige überdauern: Bei einer weiteren Arbeit in einer Salzburger Galerie werden filigrane, lineare oft floral anmutende Gebilde, die mit viel Geduld angebracht Wände und Böden überziehen, durch wenige Klebestellen direkt mit der Wand verbunden. Ihre Zerstörung ist inhärent, denn sobald sie abgenommen werden, zerfallen sie. Der Flüchtigkeit ihrer Werke setzt die Künstlerin entgegen, dass sie sie zumeist fotographisch oder gar filmisch festhält.

Als typisch für ihr Werk können existenzielle Fragen und Fragen der Wahrnehmung sowie die Themen persönliche und kollektive Erinnerung genannt werden. Auffällig sind die Titel, die Ursula Kreutz für ihre Werke benutzt. Oft handelt es sich um Abkürzungen oder Zusammenziehungen von Silben oder gar Wörtern, die auf „a“ enden. Viele Wortschöpfungen finden sich darunter, aber auch Lateinisches. Latein hat etwas Grundsätzliches, Ursprüngliches für unseren Sprachraum und eignet sich daher besonders für Kunstwerke, die Ewiges und Vergängliches hinterfragen. „Meine Kunst entsteht zum Teil aus der Möglichkeit zur Selbstwirksamkeit. Es gibt ja eine gewisse Hoffnungslosigkeit, denn es vergeht sowieso alles. Um der Ohnmacht etwas entgegen zu setzen, ermöglicht das Gestalten meiner Werke, die Zeit ein wenig bearbeiten zu können, dem Vergehenden selbst etwas entgegensetzen zu können.“

 

Sandra Hoffmann-Rivero
Leiterin Kulturamt Schwabach

fualun Copyright: Annette Kradisch

ade_imago Copyright: Annette Kradisch

nimala Copyright: Werner Bauer

ade_renovae Copyright: Annette Kradisch

ade_imago Copyright: Annette Kradisch

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