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Irmingard Beirle

Ihre religiöse Haltung spielt im Werk der Künstlerin eine entscheidende Rolle.

Irmingard Beirle wurde 1942 in München geboren und wuchs in Schnaittach auf, wo sie noch heute zuhause ist. Nach dem Abitur am Internat der Englischen Fräulein in Bamberg studierte sie Pharmazie in ihrer Geburtsstadt und übernahm danach in dritter Generation die Apotheke ihrer Mutter in der katholischen Enklave inmitten des evangelischen Nürnberger Lands. Ihre religiöse Haltung spielt im Werk der Künstlerin eine entscheidende Rolle.

Der Beruf, die Heirat und die Geburt dreier Kinder ließen die schon immer künstlerisch Talentierte erst ab 1982 zum eigenen Tun gelangen. Frei in der Kunst schafft sie seit 1995. An der Salzburger Akademie erhielt sie wegen ihrer Begabung Unterricht von Gotthard Graubner und Hermann Nitsch. Von beiden weltbekannten, maßgeblich an der Kunstgeschichte der Nachkriegsjahrzehnte beteiligten Künstlern lernte Beirle vieles.

„Im Sein verwundet“: Tiefgreifende Handlungen, intensive Videodokumentationen und Fotografien ihrer Performances, sensible Tuschezeichnungen, signalfarbiges Rot, Verbandsbinden. In ihren Arbeiten geht es Irmingard Beirle stets um existentielle Inhalte.

Zu Hermann Nitschs Werk fand sie eine besondere Hinwendung. Als Akteurin war sie am 6-Tages-Spiel des Orgien Mysterien Theaters 1998 in Prinzendorf und 2005 bei der 122. Aktion am Wiener Burgtheater beteiligt. Sie sagt selbst, sie sei dort an ihre Grenzen gestoßen, möchte diese Erfahrungen dennoch nicht missen, die sie schließlich dorthin führten, wo sie heute, zwei Jahrzehnte später, künstlerisch steht.

Mit ihren Performances will Beirle an Geschehnisse oder Personen erinnern. Unter anderem verweist ihre künstlerische Aktion 2016 in Armenien auf den Genozid von 1915 bis 1923. Zudem figuriert die Künstlerin subtil Zustände der menschlichen Seele mit akkurat gesetzten Tuschelinien. Hier wie in den Performances hochkonzentriert arbeitend, ermöglicht sie ein kontemplatives Wahrnehmen ihrer Werke.

Sie geht mit Rot in verschiedenen Nuancen und anderen Farben auf die jeweilige Geschichte des Ortes oder der Menschen ein. Das leuchtende Rot jedoch ist wesentlich in ihrem Werk. Es symbolisiert das Leben und gleichermaßen den Tod. Rot heißt Wärme, Liebe, Energie, aber auch Opfer und Gefahr.

Das Verbinden symbolisiert die Heilung von Wunden, sowohl physische als auch psychische. Die Künstlerin verhilft manchem ihrer Akteure gewissermaßen zu einer Heilung, denn sie schöpft aus den Erfahrungen, die sie in ihrem Beruf als Pharmazeutin machte. Sie holt Menschen heraus aus der turbulenten, digitalen Normalität des rasanten Alltagstakts und lässt sie sich selbst neu wahrnehmen und fühlen lernen.

Von Binden umhüllt, zentriert sich der Akteur und wird ihn in einen anderen Zustand versetzt. Er erlebt eine Art Katharsis, physisch und/oder psychisch, die während des Umhüllens beginnt und beim Enthüllen des eigenen Körpers individuell etwas in ihm freisetzen mag, ist er mit Ernst bei der Sache und lässt er Beirles Ein- und Umgriff an sich heran. In der geschlossenen Form der Figuration ihrer Akteure erzeugt die Künstlerin eine eindrucksvolle Statuarik. Eine Plastik, die sich zur Skulptur wandelt und den Teilnehmer selbst zur Kunst werden lässt.

Ihre Vita und ihre außergewöhnliche Herangehensweise an die Kunst bewog die Jury dazu, Irmingard Beirle zur Künstlerin der EMN zu küren.

Text: Barbara Leicht M.A.

Enthüllungsaktion im Lechner Museum, Ingolstadt, 2019 Foto: Konrad Beirle

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